Sie war Traum und Begierde vieler Familien in der DDR: Die Plattenbauwohnung am Stadtrand im Grünen. Passé war mit ihr oft ein Leben in der Altbauruine. Die modernen Wohneinheiten mit Fernheizung und Bad boten neuen Lebenskomfort. In der ganzen DDR sprossen ab den 1970er Jahren Großwohnsiedlungen aus dem Boden und setzten dem Mangel an modernem Wohnraum ein Ende. So auch im Westen von Halle, wo mit Halle-Neustadt eine DDR-typische Satellitenstadt entstand.
Von der schrumpfenden Großwohnsiedlung zur Modellstadt
1967 zur eigenständigen Gemeinde erklärt, wuchs Halle-Neustadt binnen weniger Jahre rasant an. Als prosperierender Standort der Chemieindustrie zählte die Stadt in den 1980er Jahren sogar mehr als 93.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Doch wie so viele Satellitenstädte der DDR erlebte die heute mit Halle vereinte Gemeinde einen eklatanten Bevölkerungsrückgang. Viele junge Menschen zog es mangels Arbeit in andere Regionen. Die einst so begehrte „Platte“ verlor an Glanz, während restaurierte Altbauten ihre Renaissance erlebten. War Halle-Neustadt früher ein attraktiver Wohnort, hat sich die Einwohnerzahl mit heute rund 44.000 seit den 1980er Jahren halbiert.
Doch Halle-Neustadt sieht sich deshalb keineswegs auf dem absteigenden Ast. Vielmehr will der Stadtteil von Halle seine großen Potenziale durch den angrenzenden Wissenschafts- und Technologiepark weinberg campus und das Gründerzentrum (TGZ) für sich nutzen. Lokal ansässige Forscherinnen und Forscher mit Expertise in der Entwicklung ganzheitlicher Sanierungsstrategien, klimaneutraler Energie-Infrastruktursysteme und grüner Mobilitätskonzepte sollen Halle-Neustadt in ein „Reallabor“ verwandeln. Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern sollen sie die Großwohnsiedlung bis zum Jahr 2050 zur klimaneutralen und sozial funktionsfähigen Stadt der Zukunft transformieren.
Grüne Platte und Gründungskultur
Startschuss dieser angelegten Transformation ist der Wettbewerb „Zukunftsstadt“. Über neun Monate hinweg wird ein „Zukunftsstadtteam“ mit Vertretern aus Forschung und Verwaltung in enger Kooperation mit der Bürgerschaft eine Vision für die Verwandlung der früheren sozialistischen Vorzeigestadt entwickeln. Drei Aktionsfelder stehen dabei im Fokus und befassen sich unter anderem mit Fragen der Quartiersentwicklung und Gründungskultur. Wie etwa kann sich mit der zweiten Sanierungswelle eine Plattenbausiedlung zur ökologischen und dennoch bezahlbaren „Grünen Platte“ wandeln? Wie können hochwertige Sanierungen und Neubauten zu einer besseren sozialen Durchmischung des Quartiers beitragen? Und wie können Gründungsaktivitäten und Gründerszene im Stadtteil gefördert werden? Auf Fragen wie diese sollen wegweisende Ideen folgen. Eine gemeinsame Vision für Halle-Neustadt und den weinberg campus soll reifen.
Über zwei Zukunftswerkstätten am Beginn und am Ende von Phase 1 sowie über zahlreiche themen- und zielgruppenbezogene Veranstaltungen werden Bürgerinnen und Bürger eng in den Prozess eingebunden. Gemeinsam mit ihnen und den wissenschaftlichen Partnern könnte eine Modellstadt entstehen, die international beispielhaft für den erfolgreichen Wandel von Abwanderung bedrohter Satellitenstädte ist.